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Moor-Birke als Rädchen im Ökosystem Wald

Mit Baum des Jahres 2023 rücken Waldmoore ins Blickfeld

Die Moor-Birke (Betula pubescens) wird das Jahr 2023 als Baum des Jahres begleiten. Der regional auch unter dem Namen Glas-, Haar- oder Besenbirke bekannte sommergrüne Laubbaum ist nicht nur botanisch interessant. Mit ihm rückt die nach ihrem Gründer benannte Dr. Silvius Wodarz-Stiftung Baum des Jahres zugleich die Bedeutung von Mooren und Moorwäldern für Biodiversität und Klimaschutz ins Blickfeld.

Schnellwüchsig, genügsam, frosthart: Die Moor-Birke hat durchaus eindrucksvolle evolutionäre Strategien entwickelt. In den gemäßigten und subarktischen Klimazonen breitete sie sich seit dem Ende der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren von Süd-Grönland bis Norditalien und in den Kaukasus aus. Einen eindeutigen Vorteil gegenüber anderen Gehölzen verschafft ihr ihre Vorliebe für saure, kalk- und nährstoffarme Böden. Die Moor-Birke mag es kalt-feucht bis stau-nass und kommt an Gebirgshängen mit geringer Nährstoffversorgung ebenso klar wie auf Sand- oder Schotterbänken inmitten strömender Flüsse. Ihr Jugendwachstum liegt bei ungefähr einem Meter pro Jahr. Zum Vergleich: Die ebenfalls als wachstumsstark geltende Rotbuche schafft unter günstigen Bedingungen 40 bis 50 Zentimeter pro Jahr; die Eiche lässt sich mit vier bis sieben Zentimetern Jahreswachstum Zeit – allerdings wird sie auch zehnmal so alt wie die Moor-Birke. Letztere hingegen hat es eilig: Wenig Konkurrenz bedeutet viel Licht – und ansehnliches Wachstum. Dass sie in kurzer Frist Brachflächen zu erobern vermag, macht sie zur Pionierbaumart, die mit durchlässiger Beschattung und mit ihrer Laubstreu peu á peu anderen Arten den Boden bereitet. Bereits nach 80 bis 100 Jahren hat sie ihr Lebensende erreicht und überlässt das Feld den langlebigeren Waldbäumen.

Betulin gegen Sonnenbrand, Öl gegen Frost

Charakteristisch für die 20 bis 30 Meter hohe Moor-Birke ist ihre mattweiße oder gelblich bis grau eingefärbte glatte Rinde, die sich in papierdünnen Schichten ablösen lässt, und die auch im Alter nicht der klotzig zerklüfteten Borke betagter Sand- (bzw. Hänge-)
Birken gleicht. Für die Farbe werden unscheinbare Betulin-Kristalle verantwortlich gemacht, die in Lüftungsrissen der äußeren Rinde in so genannten „Korkwarzen“ sitzen und einfallendes Licht reflektieren, um den Baum vor Überhitzung zu schützen. Betulin – eine Kohlenwasserstoffverbindung, auf die bereits der lateinische Name der Birkenarten schließen lässt, und die ein Fünftel bis ein Viertel der Rindenbestandteile ausmacht – sorgt außerdem dafür, dass die Birkenrinde wasserdicht ist. Ein Umstand, den sich die Menschen in alter Zeit beim Abdichten von Booten und Dächern zunutze machten.

Und woher bezieht die Birke nun ihr „Frostschutzmittel“? Auch hier steuerte die Evolution zwei hilfreiche Mechanismen bei. Fällt die Temperatur unter den Gefrierpunkt, so verschließt die Moor-Birke zunächst die Korkzellen in der Rinde. Erreicht das Thermometer die Marke von minus 40 °C, „heizt“ die Birke kurzerhand ein, indem sie in den Zweigen Stärke in Öl umwandelt – bei dieser chemischen Reaktion wird Wärme frei.

Vier Kilogramm Nachkommenschaft

Von der in Deutschland nicht selten als Park- und Straßenbaum gepflanzten Sand-Birke hebt sich die Moor-Birke außerdem über ihre Kronenform ab: Die jungen Triebe der Moor-Birke mit einfach gezähnter, rundlicher Blattform wachsen aufrecht nach oben, während Sand-Birkentriebe samt eher dreiecksförmigen, doppelt gezähnten Blättern freischwingend nach unten hängen.

Auch in puncto Vermehrung sorgt die Moor-Birke kräftig vor. Erstmals blühen sieht man sie bereits im Alter von zehn Jahren; Rotbuche und Eiche brauchen 20 bis 40 Jahre bis zur ersten Blüte – im Forstdeutsch „Mannbarkeit“ genannt. Im April und Mai schiebt die Moor-Birke männliche und weibliche Kätzchenblüten aus ihren Zweigen. Kein Problem, wenn keine zweite Birke zur Bestäubung in Sichtweite ist: Die Pollen lassen sich vom Wind bis zu 2000 Kilometer weit tragen. Im August bildet der Baum in großer Masse drei Millimeter winzige, flugfähige Nussfrüchte aus – auf bis zu vier Kilogramm Saat soll es eine alte Moor-Birke bringen.

Entfalten statt entkusseln

Die Zeiten, in denen von Mutter Natur in den Wald getragene Birken als „Unkraut im Wald“ galten, liegen noch nicht allzu lange zurück. Und selbst heute ist das „Entkusseln“ – das Rückschneiden von jungem Birkenwuchs – durchaus noch gängige Praxis. Sinn ergibt es, wenn die Birken-Ausbreitung seltenen oder gefährdeten Pflanzen wie dem Sonnentau und dem Sumpfporst zusetzt, oder aber in renaturierten Hochmooren, in denen sich mit Torfmoosen, Wollgräsern und Zwergsträuchern bereits moortypische Vegetation angesiedelt hat.

Doch seit Beginn der Moorrenaturierungen erscheint auch die Moor-Birke zunehmend in anderem Licht – denn sie ist ein unverzichtbares Rädchen im funktionstüchtigen Ökosystem Wald.

In entwässerten Hoch- und Niedermooren, in Randzonen intakter Moore und Moorgewässer, in Auen- und Bruchwäldern, in denen nur wenige Gehölze geeignete Wuchsbedingungen finden, trägt die Moor-Birke zur habitattypischen Artenvielfalt bei. Etliche Käfer-, Zikaden-, Wanzen-, Wespen- oder Schmetterlingsarten haben sich genau auf die Moor-Birke spezialisiert, ebenso wie Birkenpilz- oder Täublingsarten, die mit ihr in Symbiose leben. Die Dr. Silvius Wodarz-Stiftung, die die Moor-Birke zum Baum des Jahres 2023 ausrief, stellt fest: „Diese ungewöhnlich hohe spezifische Bindung diverser Pilz- und Tierarten an Moor-Birken macht deutlich, dass es eine Co-Evolution dieser Tier- und Pilzarten mit Moor-Birken gegeben hat“.

Feuchte Waldstandorte bieten waldwirtschaftliches Potenzial

Nach Ansicht der Wodarz-Stiftung haben Moor-Birken zudem durchaus wirtschaftliches Potenzial – zumal Moorrenaturierungen auch zu nasseren Standorten in unmittelbar angrenzenden Wäldern führen werden. Hier gedeihende Moor-Birken könnten hochqualitatives, zähes, biegsames, fast weißes Holz liefern, das für den Möbel-, Sauna-, Sportgeräte- oder Instrumentenbau oder für die Parkett- und Furnierherstellung in Frage kommt. Die Stiftung sieht in der Forcierung der Moorrenaturierungen durch die Bundesregierung „eine gute Chance für die Integration der Moor-Birke in eine auch ökonomisch interessante naturnahe Bewirtschaftung feuchter Waldstandorte“ – etwa in Mischung mit den ebenso feuchtigkeitsliebenden Erlen oder Flatter-Ulmen.

Die Bundesregierung indes will mit der Wiedervernässung von trockengelegten Mooren und deren klimaverträglicher Nutzung die jährlichen Treibhausgasemissionen aus Moorböden bis 2030 um mindestens fünf Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente senken und die Biodiversität in den Moorregionen fördern. Dazu legte sie im Oktober 2022 die Nationale Moorschutzstrategie auf.

Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium (BMEL und BMUV) unterstützen über ihren gemeinschaftlich finanzierten Waldklimafonds (WKF) Forschungs- und Entwicklungsvorhaben u. a. zum Moorschutz, die von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) koordiniert und fachlich betreut werden.

Waldmoore und Forschung

Beispielsweise wird das von der FNR betreute WKF-Demonstrationsvorhaben MooReSax bis Mitte 2025 Fachinformationen zu Waldmoor-Standorten zusammenführen, Optimalvarianten der Moorrevitalisierung erarbeiten und die durch Moorrevitalisierung erzielbaren Ökosystemdienstleistungen bewerten. Das Wissen wird in zehn Moorkörpern einer Modellregion im Westerzgebirge erprobt, in der konkrete Maßnahmen zur Moorrevitalisierung geplant, umgesetzt und dokumentiert werden, um sie später auf andere Regionen in Deutschland oder Mitteleuropa zu übertragen.

Eine Kernaufgabe des Vorhabens MoorWald besteht darin, bis Herbst 2023 Kommunikationsoptionen vorzulegen, um Privatwaldbesitzer über die klimarelevante Wiedervernässung ihrer Waldbestände aus naturschutzfachlicher Sicht und die damit verbundenen Auswirkungen aus forstwirtschaftlicher Sicht zu informieren. Damit soll die Speicherung von Kohlenstoff im Wald und die Vermeidung von Emissionen unterstützt werden.

Im Verbundprojekt MoorWaldBilanz wurde für das Untersuchungsgebiet Nationalpark Hunsrück-Hochwald nachgewiesen, dass zwischen 70 und 90 Prozent der Kohlenstoffvorräte in der Torfauflage und in der Wurzelbiomasse der Moore gespeichert sind. Nur ca. ein Viertel des Kohlenstoffs kommt in den oberirdischen Bestandteilen der Bäume des Moorwaldes vor. Um die Kohlenstoff-Senkenfunktion hoch- und Zersetzungsprozesse aufzuhalten, muss die Torfauflage also permanent vernässt sein. Deshalb sollten auf dem vormals trockengelegten Moor gewachsene Bäume im Zuge der Wiedervernässung nicht einfach gefällt werden. Auch wenn sie mit der Zeit absterben, verringern sie als stehendes Totholz die Verdunstungsrate des Moores, was wiederum den Wasserhaushalt stabilisiert. Letztendlich bilden sie Biomasse, die zur weiteren Torfbildung beiträgt.

Weiterführende Informationen:

Verbundvorhaben: Moorwissen umsetzen – Moorrevitalisierung in der Modellregion Westerzgebirge/Sachsen (Akronym: MooReSax)

Teilvorhaben 1: Management von Moorinformationen und dessen Nutzung für Revitalisierung und Monitoring;Staatsbetrieb Sachsenforst - Kompetenzzentrum für Wald und Forstwirtschaft
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=2218WK49A1

Teilvorhaben 2: Moorhydrologische Beratung & Unterstützung, Ökosystemdiensleistungen;
Dr. Dittrich & Partner, Hydro-Consult GmbH Dresden
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=2218WK49B1

Einzelvorhaben: Deutschlandweiter Status und Entwicklung von Waldstandorten auf organischen Böden – Konkretisierung der nationalen Treibhausgasberichterstattung sowie Möglichkeiten und Wirkungen von Klimaschutzmaßnahmen (Akronym: MoorWald);
Johann Heinrich von Thünen-Institut Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei - Institut für Waldökosysteme;
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=2218WK10X4

Verbundvorhaben: Kohlenstoffbilanzen bei der Renaturierung von Moorwäldern am Beispiel des Nationalpark Hunsrück-Hochwald (Akronym: MoorWaldBilanz);

Teilvorhaben 1: Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz (FAWF)
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22WA409601

Teilvorhaben 2: UDATA GmbH Neustadt an der Weinstraße
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22WA409602

Teilvorhaben 3: Universität Trier - Campus II - Fachbereich VI - Raum- und Umweltwissenschaften - Umweltfernerkundung und Geoinformatik
https://www.kiwuh.de/index.php?id=13475&fkz=22WA409603

Teilvorhaben 4: Julius-Maximilians-Universität Würzburg - Institut für Geographie und Geologie - Lehrstuhl I - Physische Geographie
https://www.kiwuh.de/index.php?id=13475&fkz=22WA409604

Weitere Informationen:

Nationaler Klimaschutzplan:
https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Naturschutz/nationale_moorschutzstrategie_bf.pdf

Video Moorschutz ist Klimaschutz:
https://www.youtube.com/watch?v=76kjenDsoWQ

Video Moorbirke ist der Baum des Jahres 2023 (Landesschau Rheinland-Pfalz - SWR Fernsehen)
https://www.swrfernsehen.de/~embed/landesschau-rp/gutzuwissen/video-moorbirke-baum-des-jahres-100.html 

Bürgerbeteiligungsprojekt zur Sandbirke (Betula pendula):
https://www.waldklimafonds.de/index.php?id=13913&fkz=2220WK29A5
https://www.waldklimafonds.de/index.php?id=13913&fkz=2220WK29B5
https://www.waldklimafonds.de/index.php?id=13913&fkz=2220WK29C5

Pressekontakt:
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
Martina Plothe
Tel.: +49 3843 6930-311
Mail: m.plothe(bei)fnr.de
 

Moorbirkenwälder sind meist schwachwüchsig, schütter und artenarm. Foto: H.J. Arndt

Moorbirkenwälder sind meist schwachwüchsig, schütter und artenarm. Foto: H.J. Arndt

Doppelt gezähnt: Am Blattrand der Moorbirke erscheinen zwischen den größeren „Zähnen“ zusätzlich kleinere Ausbuchtungen. Foto: H.-J. Arndt

Doppelt gezähnt: Am Blattrand der Moorbirke erscheinen zwischen den größeren „Zähnen“ zusätzlich kleinere Ausbuchtungen. Foto: H.-J. Arndt

Ganz in Weiß: Charakteristisch für die Moor-Birke ist die papierdünne, bis zum Stammfuß reichende weiße Rinde. Foto: H.-J. Arndt

Ganz in Weiß: Charakteristisch für die Moor-Birke ist die papierdünne, bis zum Stammfuß reichende weiße Rinde. Foto: H.-J. Arndt

Moorbirken entlang einer Straße
Foto: H.J. Arndt

Moorbirken entlang einer Straße

Foto: H.J. Arndt