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Wald und Holz

 

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Fachkompetente Stimmen zum Thema VOC

Was sind flüchtige organische Substanzen? Entweichen sie nur aus frischem Holz? Und wie wirken sie sich auf das Befinden von Mensch und Tier aus? Gibt es Qualitätskriterien für gesunde Luft in Innenräumen?

In unseren Experten-Interviews zu aktuellen Themen und Forschungsprojekten kommen Menschen zu Wort, die es wissen müssen.

 


 

"Gefährdungspotenzial von Holz-Emissionen ist gering"

Drei Fragen an... Dr. Martin Ohlmeyer, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Arbeitsbereichsleiter am Institut für Holzforschung und wissenschaftlicher Berater des BMEL in holztechnologischen und chemischen Fragen

FNR: Herr Dr. Ohlmeyer, welche chemischen Verbindungen verursachen eigentlich den charakteristischen Geruch von frischem Holz und von Holzprodukten?

Dr. Martin Ohlmeyer:  Für die meisten Menschen ist sicherlich Geruch von Nadelholz und ganz besonders hier vom Holz der Kiefer deutlich wahrnehmbar. Die Stoffe, diesen Geruch besonders prägen, sind vornehmlich leicht flüchtige Terpene, wie z. B. α-Pinen, ∆-Caren und β-Pinen. 
Andere Hölzer, vor allem die Laubhölzer Buche, Birke und Eiche, können einen eher säuerlichen Geruch haben, der durch die Emission von Ameisen- und Essigsäure hervorgerufen wird.
Einen besonderen Geruch haben die sogenannten Thermoholz-Produkte. Diese wurden zur Optimierung der Feuchtebeständigkeit und Optik bei hohen Temperaturen behandelt und werden oft als Terrassendielen oder im Gartenbau eingesetzt. Sie riechen eher rauchig oder geräuchert. Das kommt daher, dass die Struktur der zuckerartigen Substanzen im Holz durch die Thermobehandlung verändert wird, was zur Anpassung der Eigenschaften führt. Gleichzeitig geben diese Produkte wiederum organische Säuren und Furfural ab, was zu dem Karamell-ähnlichen Geruch führen kann.

FNR: Aktuell untersucht das Thünen-Institut für Holzforschung zusammen mit der Forschungsgesellschaft für Arbeitsphysiologie und Arbeitsschutz e. V im Forschungsprojekt Wood for Good u. a. die Auswirkungen flüchtiger organischer Substanzen verschiedener Holzarten auf die neurophysiologischen Prozesse des Menschen. Wie gehen Sie dabei vor und mit welchen Ergebnissen rechnen Sie?

Dr. Martin Ohlmeyer:  Am Thünen-Institut führen wir sensorische Prüfungen in Anlehnung an Normmessungen für die Bewertung von Gerüchen durch. Dabei lassen wir von Personen die Intensität und das perönliche Empfinden, also die Hedonik verschiedener Holzgerüche bewerten. Der spannende Ansatz dabei ist, dass die Gerüche in unterschiedlichen Kontexten beurteilen lassen: zum einen in verschiedenen visuellen Umgebungen – im Holzhaus oder vor einer weißen Wand – und darüber hinaus soll der psychologische Kontext betrachtet werden – sprich: Welche Vorkenntnis oder Vorinformation hat Einfluss auf die Bewertung des Geruchs? 
Das IfADo untersucht unter der Leitung von Dr. Christoph van Thriel darüber hinaus ähnliche Kontexteffekte auf neuronaler Ebene, die Gerüche verschiedener Holzarten durch ihre charakteristischen VOC-Profile auslösen. Diese teilweise unbewussten Verarbeitungsprozesse von Holzgerüchen im Gehirn werden durch die Analyse bestimmter Muster im Elektroenzephalogramm (EEG) untersucht, wobei auch hier kongruente visuelle Hinweise (d. h. Bilder von Holz) oder neutrale Hinweise (d. h. Bilder von anderen Baumaterialien) eingesetzt werden. Neben diesen neurophysiologischen Verarbeitungsprozessen werden die Effekte der olfaktorischen Wahrnehmung dieser VOC-Profile auf Stimmung und Befinden der Personen erfasst. So ergibt sich ein umfassender Einblick über die rein chemisch-olfaktorische und „kombinierte“ Verarbeitung und Wirkung von Holzgerüchen.
Wir erwarten eine belastbare Kenntnis und damit einen Beitrag für eine sachliche Diskussion über die allgemeine Wahrnehmung von Holzgerüchen, wie sie bei der Verwendung von Holz im Innenraum auftreten können.

FNR: Ein vorausgegangenes Projekt mit Beteiligung des Thünen-Instituts zielte ab auf die gesundheitliche Bewertung von Emissionen aus Holz und Holzprodukten in Innenräumen. Wie können sich VOC-Emissionen aus Holz und Holzprodukten auf Wohlbefinden und Gesundheit von Mensch und Tier auswirken?

Dr. Martin Ohlmeyer:  Die toxikologischen und immunologischen Versuche wurden an der Universität Freiburg, der Forschungsgesellschaft für Arbeitsphysiologie und Arbeitsschutz, dem Helmholz-Zentrum für Umweltforschung und dem Zentrum für Allergie und Umwelt der TU München durchgeführt, das Thünen-Institut hat die Versuche mit seiner Expertise zur Darstellung der Emissionen von Holzprodukten unterstützt. Aus den experimentellen Ergebnissen und aus den Ergebnissen einer umfassenden Literaturstudie wird das Gefährdungspotenzial von typischen in Innenräumen zu findenden Konzentrationen an Holzemissionen für den Nutzer als gering eingeschätzt. 

Zur Person:

Martin Ohlmeyer hat an der Universität Hamburg Holzwirtschaft studiert, mit dem Diplom abgeschlossen und dort auch 2002 zum Dr. rer. nat. promoviert. Seit 1999 war er an der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Heute ist er in der Nachfolgeorganisation, dem Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, im Institut für Holzforschung Arbeitsbereichsleiter. Seine Hauptaufgabe dort ist die wissenschaftliche Beratung des BMEL in holztechnologischen und -chemischen Fragen.

Projekte:

Verbundvorhaben 2020-2023: 
Wood for Good - Kontextbezogene gemisch- und konzentrationsabhängige Auswirkungen flüchtiger organischer Verbindungen verschiedener Holzarten;

Verbundvorhaben (FSP-Emissionen) 2016-2019:
Gesundheitliche Bewertung von Emissionen aus Holz und Holzprodukten in Innenräumen mittels experimenteller toxikologischer Untersuchungen und humanbasierter Beobachtungen;

Pressekontakt:
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
Martina Plothe
Tel.: +49 3843 6930-311
E-Mail: m.plothe(bei)fnr.de


Promovierter Holzwirtschaftler und wissenschaftlicher Berater des BMEL: Dr. Martin Ohlmeyer.  Foto: Thünen-Institut

Promovierter Holzwirtschaftler und wissenschaftlicher Berater des BMEL: Dr. Martin Ohlmeyer.

Foto: Thünen-Institut

"Terpene aus Hölzern haben keine Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit"

Drei Fragen an ... den Bauökologen, Planer und Bauberater Ahmed Al Samarraie, Vorstandsmitglied im Deutschen Holzfertigbau-Verband e. V. (DHV) und Leiter des Arbeitskreises ökologischer Holzbau im DHV

FNR: Herr Al Samarraie, seit den 2000er-Jahren werden natürliche Ausdünstungen aus frisch verarbeitetem Holz und Holzwerkstoffen als schädliche Emissionen klassifiziert. Was ist der Grund dafür und wie groß ist der Anteil der Emissionen aus natürlichen Baumaterialien an der Zusammensetzung der Rauminnenluft?

Ahmed Al Samarraie: Es gibt mindestens zwei Entwicklungen für die zunehmende Sensibilisierung bezüglich der Raumlufthygiene. Das ist zum einen die mit steigenden energetischen Anforderungen einhergehende deutlich verbesserte Luftdichtheit der Gebäude und damit der nahezu ausbleibende natürliche Luftwechsel. 
Zum anderen hat der Verbraucherschutz und damit der Schutz von Gebäudenutzern an Bedeutung gewonnen, was auch zu höheren Anforderungen an die Raumluftqualität führt. 
Bereits seit den 1960er Jahren gibt es Erfahrungen mit Schadstoffen in der Raumluft. Seinerzeit stammten sie explizit aus mit Holzschutzmitteln behandelten Baustoffen, aber auch aus Formaldehyd oder Faserstäuben. Also schien es folgerichtig, auch die natürlichen Emissionen aus Holz vorerst in die Logik des bestehenden Klassifzierungssystems einzuordnen. 
Der Anteil der VOC – also der flüchtigen organischen Verbindungen – an der Gesamtheit aller die Raumluft beeinflussenden Faktoren liegt im Schnitt bei nur 1,2 Prozent. Und innerhalb dieses kleinen Segments der VOC, zu denen z. B. Gerüche von Alkoholen aus Reinigungsmitteln, der Duft von Blumen oder Aromen von Obst und Gemüse zu zählen sind, machen die natürlichen Emissionen aus Holz und Holzwerkstoffen wiederum im Mittel nur etwa ein Sechstel aus. Das hat die europäische Studie von Jantunen et al., aus dem Jahr 2011 gezeigt, für die zahlreiche Untersuchungen statistisch ausgewertet wurden. 

FNR: Die Emissionen aus Holz und Holzprodukten können je nach Jahreszeit, Temperatur, Luftfeuchte, Baumart und Verarbeitung erheblich variieren. Inwiefern findet diese Besonderheit in standardisierten Messverfahren und Richt- bzw. Grenzwerten für die Innenraumluftqualität Berücksichtigung? 

Al Samarraie: Die systematische Untersuchung der Emissionsverläufe war Gegenstand des 2019 abgeschlossenen Forschungsvorhabens „HoInLaRu“ des Thünen-Instituts Hamburg und des WKI Braunschweig. 
Es zeigte sich, dass das Außenklima erheblichen Einfluss auf die messbare Emissionsstärke z. B. von Terpenen oder Aldehyden hat. Nach einer relativ hohen Anfangssumme sinken die Emissionswerte üblicherweise stetig ab, was man an einer immer flacher werdenden Abklingkurve ablesen kann. Die flüchtigen Verbindungen in der Raumluft werden durch die Nutzung der Räume immer weniger, auch weil sie abgelüftet werden. Daher riecht eine Holzverkleidung oder ein Vollholzmöbel nach einer gewissen Zeit auch deutlich weniger intensiv. Kommt es allerdings zu hohen Außentemperaturen und hoher Luftfeuchte, dann steigen die materialspezifischen Emissionen vorübergehend wieder an – wenngleich sie deutlich unter den Ausgangswerten bleiben. 
Diese Tatsache wird weder bei den aktuell üblichen, standardisierten Messverfahren noch bei den derzeit geltenden Richtwerten RW1 und RW2 des Umweltbundesamtes für diese Stoffgruppen adäquat berücksichtigt. Die Emissionen des Rohstoffes Holz werden beeinflusst durch die Holzart, den jeweiligen individuellen Baum, die aktuellen Klimawerte im Raum, die Raumtemperatur oder die Sonnenlichtwirkung, die äußeren Klimawerte. Das wird durch schematisches Messverhalten selten oder gar nicht berücksichtigt. 
Insofern gleichen viele der als Qualitätssicherung durchgeführten Raumluftmessungen eher zufälligen Ergebnisermittlungen. Und das, obwohl die Messergebnisse zum Teil erhebliche Auswirkungen auf das Verhältnis der Vertragspartner haben können.

FNR: Die TVOC-Leitwerte des Umweltbundesamtes geben bereits Hinweise für die Innenraumluftqualität. Wie bewerten Sie als Sachverständiger für baulichen Gesundheitsschutz, Raumlufthygiene und energieeffizientes Bauen die Aussagefähigkeit der Leitwerte in Bezug auf eine gesundheitliche Gefährdung? 

Al Samarraie: Die Richtwerte RW 1 und RW 2 sind auf die jeweiligen Stoffe bezogene Hinweiswerte zur raumlufthygienischen Einordnung, der TVOC ist dabei der Summenwert aller jeweils feststellbaren Einzelwerte. Der TVOC ist ein rein quantitativer Wert, der seine Berechtigung als Hinweiswert in dem vom Umweltbundesamt empfohlenen Raumlufthygienetableau hat. Der TVOC trifft aber keine qualitative Aussage hinsichtlich der summierten Einzelwerte und deren stofflicher Charakteristik. Er kann sich zum Beispiel aus der Summe von bekannten gesundheitsschädigenden VOC – etwa aus Alkoholen und chlorierten Kohlenwasserstoffen – zusammensetzen, was bei einem Wert von 1 mg/m³ Raumluft schon gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung hat. Resultiert der Wert aber weitestgehend aus Terpenen von Hölzern oder Fichtennadeln, entfaltet er bei gleicher Dosis keine gesundheitsbeeinträchtigende, sondern eher eine wohltuende Wirkung. 

Das ebenfalls vom BMEL geförderte Forschungsprojekt „GesundHolz“ hat sich intensiv mit den gesundheitlichen (humantoxikologischen) Wirkungen von Terpenen aus Kieferhölzern und dem Hexanal – einem Aldehyd aus OSB-Platten – befasst. 
Das Ergebnis: Terpene aus Hölzern haben – das ist nun wissenschaftlich nachgewiesen – bei allen denkbaren raumluftüblichen Konzentrationen und selbst in hohen Dosierungen keine negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. 
Auch im Interesse der Nutzer scheint mir deshalb eine Korrektur nach oben, also deutliche Erhöhung der vom UBA empfohlenen Richtwerte RW2 und RW1 für diese Stoffe überfällig. Insbesondere, um beim Nutzer die Unsicherheit im Umgang mit dem beliebten Baustoff Holz und den Holzwerkstoffen auszuräumen.

Zur Person:

Seit 1992 Geschäftsführer der Al Samarraie OeConsulting Hessen-Alheim; Branchenvertreter in Forschungsprojekten rund um das Thema Holz, u. a. Mitglied in der Steuerungsgruppe und den Arbeitsgruppen 1 und 6 der Charta für Holz 2.0; Mitglied im Leitungsteam des Deutschen Holzwirtschaftsrates e. V. (DHWR); 
Vorstandsmitglied und Leiter des Arbeitskreises ökologischer Holzbau im Deutschen Holzfertigbau-Verband e. V. (DHV); 
seit 1992 freiberuflicher Holzbauberater und Sachverständiger;
2007 – 2011 Isofloc Geschäftsführer (BRD, Benelux + Nordeuropa) 
1994 – 2014 (bis zur Auflösung) Mitbegründer und Gründungsvorsitzender des Arbeitskreises Ökologischer Holzbau e.V. (AköH); 
1990 bis 2007 Holzbau- und Generalunternehmer (Einfamilienhäuser, Kindertagesstätten, Objektbau, Siedlungs- und Spezialbauten, Holzrahmenbau und Hybridbauweise)
 

Pressekontakt:
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
Martina Plothe
Tel.: +49 3843 6930-311
E-Mail: m.plothe(bei)fnr.de

 


 

Holzbaupraktiker und Sachverständiger Ahmed Al Samarraie. Foto: FN

Holzbaupraktiker und Sachverständiger Ahmed Al Samarraie.

Foto: FN